Einen Schneeleoparden in freier Wildbahn zu sehen, gleicht einem Wunder. Die seltenen Raubkatzen leben im Verborgenen an einigen der am schwersten zugänglichen Orte unserer Erde. Keine andere Großkatze könnte in gleicher Höhenlage überleben. Doch trotz aller Abgeschiedenheit ist der Mensch den Schneeleoparden auf den Fersen. Das Risiko, dass die scheuen Katzen in naher Zukunft aussterben, ist hoch.

Schneeleopard © David Lawson / WWF UK
Schneeleopard © David Lawson / WWF UK

Schneeleoparden leben in den Hochgebirgen Zentral- und Südasiens, verteilt auf insgesamt zwölf Länder wie China, Indien, Kirgisistan, Nepal und die Mongolei. Fast nur Fels und Geröll, Eis und Schnee, dazu meist starke Winde und große Trockenheit. Das ist die Welt des Schneeleoparden in den Hochgebirgen Zentralasiens und dem Himalaja.

Seine Jagd führt ihn hinauf bis auf Höhen von über 5.000 Metern. Keine andere Großkatze kann in solchen Höhen überleben. Der Schneeleopard ist für diesen extremen Lebensraum von Natur aus bestens ausgestattet.

Sein weiß-graues Fell mit dunklen Ringen ist besonders lang und dicht. Es tarnt ihn perfekt im felsigen, verschneiten Gelände. Schon auf eine Entfernung von nur 30 Metern verschwimmt er mit dem felsigen Hintergrund. Eine wichtige Voraussetzung fürs Überleben, denn der Schneeleopard ist ein Anschleichjäger und nähert sich seinen Beutetieren bis auf wenige Meter, bevor er angreift. Er jagt bevorzugt große Huftiere, im Sommer gehören auch kleine Tiere wie Murmeltiere und Rauhfußhühner zu seiner Beute.

Rückzug der Raubkatze

Viel mehr wissen wir noch nicht über den Schneeleoparden. Seine heimliche Lebensweise und das riesige, schwer zugängliche Verbreitungsgebiet erschweren Aussagen zur genauen Bestandsgröße. Aktuell wird sie auf insgesamt 4.000 bis 6.500 Tiere geschätzt (Stand 2024). Auf weniger als drei Prozent seines Verbreitungsgebietes wurden die Populationen bisher mit robusten wissenschaftlichen Methoden wie Kamerafallen untersucht. Die meisten Schneeleoparden leben vermutlich in China und in der Mongolei.

Überall jedoch ist der Schneeleopard in Gefahr. Der Schneeleopard wird daher von der Weltnaturschutzorganisation IUCN als „gefährdet“ eingestuft. Es besteht ein hohes Risiko, dass er in unmittelbarer Zukunft ausstirbt.

Die Hochgebirgsregionen Zentralasiens und des Himalajas gehören nach Einschätzung des UN-Weltklimarates zu den besonders stark durch den globalen Klimawandel betroffenen Zonen der Erde.

Lebensraum des Schneeleoparden bedroht

Weniger Lebensraum durch Klimawandel

Schneeleoparden sind auf intakte Hochgebirgsökosysteme angewiesen. Sie brauchen genügend Beute und wenig Störung für die Aufzucht ihrer Jungen. Die Hochgebirgsregionen Zentralasiens und des Himalajas gehören nach Einschätzung des UN-Weltklimarates zu den besonders stark durch den globalen Klimawandel betroffenen Zonen der Erde.

Wenn der Ausstoß von Treibhausgasen mit unverminderter Geschwindigkeit weitergeht, wird der Schneeleopard nach einer WWF-Studie aus dem Jahr 2015 bis zu 30 Prozent seines Lebensraumes verlieren. Denn durch die zunehmende Erwärmung verschiebt sich die Baumgrenze immer weiter in höhere Lagen und schmälert die alpinen, gehölzfreien und unberührten Lebensräume des Schneeleoparden und seiner Beutetiere. Letztere müssen immer häufiger um Nahrung mit den Weidetieren des Menschen konkurrieren..

Jagd auf Schneeleoparden

Kamerafallenbild: Verletzter Schneeleopard, der sich mit einer Schlagfalle an der Pfote durch die Berge schleppt © WWF Mongolei
Kamerafallenbild: Verletzter Schneeleopard, der sich mit einer Schlagfalle an der Pfote durch die Berge schleppt © WWF Mongolei

Mühsam kämpft sich ein Schneeleopard humpelnd einen schmalen Felsvorsprung entlang. An seiner Vorderpfote hängt eine schwere Metallfalle. Sein Todesurteil: Selbst wenn sich die Wunde nicht entzündet, kann er so nicht mehr jagen.

Immer wieder werden Schneeleoparden auch mit Giftködern getötet. Denn einigen Nomaden im äußersten Westen der Mongolei gelten sie als Bedrohung. Im Herbst treiben die Hirten ihre Herden in die Berge, um sie vor Winterstürmen im Flachland zu schützen – und damit in die Reviere der Schneeleoparden. Schafe, Pferde und Ziegen sind für die Raubkatzen leichte Beute.

So entsteht ein typischer Mensch-Wildtier Konflikt: Den Menschen hier geht es um ihre Existenz, wenn sie aus Rache und Angst Jagd auf die Schneeleoparden machen.

Der WWF kümmert sich daher ganz konkret darum, Konflikte zwischen Anwohnern und Schneeleoparden zu entschärfen – durch mehr Aufklärung, die Einführung von robusten Hütehunden (Bankhars), Hilfe bei der Erschließung neuer Einnahmequellen und eine Veränderung der Weidepraktiken im Jahresverlauf.

Wilderei: Fast jedes Körperteil ist begehrt

Schneeleoparden sind außerdem begehrte Objekte der Wilderer. Nicht nur ihr Fell erzielt hohe Preise auf dem Schwarzmarkt. Ob Knochen, Schädel, Zähne, Klauen oder Fleisch: Fast jedem Körperteil der Schneeleoparden werden angeblich heilsame Eigenschaften in der Traditionellen Chinesischen Medizin zugeschrieben.

Riesenwildschafe sind Beutetiere der Schneeleoparden © Igor Haitman / WWF NL / WWF Mongolei
Riesenwildschafe sind Beutetiere der Schneeleoparden © Igor Haitman / WWF NL / WWF Mongolei

Ebenfalls von der Wilderei betroffen sind die Beutetiere der Raubkatzen. Der Schneeleopard jagt bevorzugt große Huftiere wie Blauschafe, Schraubenziegen, Sibirische Steinböcke, Riesenwildschafe und Mufflons, denen er oberhalb der Baum- und unterhalb der Schneegrenze nachstellt.

Durch die unregulierte und übermäßige Jagd auf seine Beutetiere durch den Menschen wird die Nahrung für den Schneeleoparden immer knapper. 

Forschung in einer Welt aus Geröll und Schnee

Aufgrund ihrer zurückgezogenen Lebensweise sind Schneeleoparden schwer zu erforschen. Doch Forschung und das Monitoring, das heißt die kontinuierliche Beobachtung der Bestandsentwicklung, sind nötig, um beispielsweise den Nomaden Orte zu nennen, die sie mit ihrem Nutzvieh meiden sollten.

„Nur wenn wir wissen, wo die Tiere leben, wie viele es sind und wo die Konfliktherde mit den Menschen liegen, können wir auch Maßnahmen zum Schutz der Schneeleoparden ergreifen.“

Markus Radday, WWF-Experte für die Region

Das Monitoring der Schneeleoparden und ihrer Beutetiere ist auch deshalb wichtig, um herauszufinden, ob Schutzmaßnahmen wirken und wie sich die Bestandszahlen im Laufe der Jahre entwickeln. Bei einer Zählung, die von 2018 bis 2020 unternommen wurde, erfassten mehr als 1.400 Kamerafallen in den Bergen der Mongolei Bestände und Bewegungen der Tiere. Dazu kommt die systematische Suche nach Spuren und Markierungen und die schwierige Besenderung einzelner Individuen.

Die Ergebnisse des Monitorings zeigten: Die Mongolei beherbergt nach China die zweitgrößte Schneeleoparden-Population des gesamten Verbreitungsgebietes und der Bestand ist mit 953 Tieren stabil. Ein großer Erfolg, der beweist, dass die Schutzbemühungen wirken.

Gute Nachrichten aus Indien und Bhutan

Auch aus Indien gibt es Anfang 2024 gute Nachrichten: Von 2019 bis 2023 wurde zum ersten Mal eine große Schneeleopardenzählung in Indien durchgeführt. An der Zählung waren das indische Umweltministerium, der WWF Indien und zahlreiche Ranger:innen und Freiwillige beteiligt.

Kamerafallenaufnahme eines Schneeleoparden in Indien © WWF Centre for Pastoralism
Kamerafallenaufnahme eines Schneeleoparden in Indien © WWF Centre for Pastoralism

Ein Gebiet von mehr als 100.000 Quadratkilometern wurde abgedeckt, fast 2.000 Kamerafallen wurden in dem schwer zugänglichen Gelände aufgestellt. Auch andere Spuren wie Fell, Pfotenabdrücke und Reviermarkierungen wurden gesammelt und ausgewertet.

Allein auf den Bildern der Kamerafallen konnten 241 verschiedene Schneeleoparden eindeutig identifiziert werden. Insgesamt gehen die Forscher:innen davon aus, dass derzeit 718 Schneeleoparden in Indien leben. „Diese erste umfassende Zählung in Indien ist ein entscheidender Meilenstein in den Schutzbemühungen für den Schneeleoparden“, sagt Rishi Kumar Sharma, Leiter der Himalaya-Schutzprogramme des WWF-Indien. „Und sie zeigt, wie wichtig die Himalaya-Region als Lebensraum für die Tiere ist.“

Aus Bhutan kommen ebenfalls erfreuliche Nachrichten: Bei einer Zählung, die zwischen 2022 und 2023 von den Naturschutzbehörden Bhutans mit Unterstützung des WWF und anderer Partner durchgeführt wurde, konnten 134 Schneeleoparden gezählt werden. Ein Anstieg um 39,5 Prozent im Vergleich zur ersten Zählung im Jahr 2016. Bei der Zählung wurden mehr als 9.000 Quadratkilometer abgedeckt und 310 Kamerafallen installiert.

Letzte Rettung für den Geist der Berge

Einziger Feind der Schneeleoparden ist der Mensch. Die Raubkatzen stehen an der Spitze der Nahrungskette und sind verantwortlich für ein funktionierendes Ökosystem ihres Lebensraumes. „Wir wollen die Einstellung der Hirtenfamilien zu den Wildtieren verbessern“, erklärt Markus Radday. „Diese sollen nicht mehr als Feinde betrachtet werden, sondern als berechtigter und wichtiger Teil der Lebensumwelt.“ 

Bildungsarbeit mit mongolischen Kindern für den Schutz der Schneeleoparden © Oliver Samson / WWF
Bildungsarbeit mit mongolischen Kindern für den Schutz der Schneeleoparden © Oliver Samson / WWF

Derartige Lobbyarbeit kann nur funktionieren, wenn sie gut an die Region, verschiedene Zielgruppen und ihre Bedürfnisse angepasst ist. Für Kinder in der Mongolei erstellt der WWF deshalb Comics zur Umweltbildung.

Mit den Hirten werden Schneeleoparden-sichere Zäune getestet, alternative Einkommen erschlossen und Schutzvereinbarungen getroffen. Denn verbesserte Lebensbedingungen mindern die existenzielle Bedrohung durch Schneeleoparden und die Gefahr von Wilderei aus der Not heraus.

Die Einführung von robusten Hütehunden hilft, „Hot Spots“ der Konflikte zu entschärfen, denn die Herden sind unter dem Schutz der Hunde sicherer und die Hirten sehen den Schneeleoparden weniger als Feind.

Aufwändige Schutzarbeit

Die Arbeit mit der Bevölkerung, die Erforschung der Schneeleoparden, außerdem die Ausbildung und Ausrüstung von Ranger:innen und der Kampf gegen den internationalen Wildtierhandel: Seit 20 Jahren arbeitet der WWF für den Erhalt der Schneeleoparden in Asien.

Schützen Sie gemeinsam mit uns die Schneeleoparden: